Fernschachfreunde sind Wegbegleiter auf unserem Lebensweg. Die Dauer der Begleitung wird von mehreren Faktoren bestimmt. Während einer 60jährigen FS- Tätigkeit erlebt man Beziehungen über viele Jahre, die oftmals nur durch den Tod des Freundes beendet werden. Hierbei lernt man sein Gegenüber – der eventuell auf einem anderen Erdteil zu Hause ist – besser kennen als den Nachbarn von nebenan.
Auf der anderen Seite sagt die Länge der postalischen Beziehung nichts oder wenig über ihre Qualität aus. Besser gesagt: Wenn Lebenseinstellung, Aktivitäten und Hobbies fast identisch sind, kann eine solche Freundschaft sehr beglückend sein. Sie brennt sich tief in die Seele ein…..und macht sie nahezu unvergessen!
Erfährt man ganz plötzlich, dass ein solch ehemaliger Partner verstorben, erschrickt man zuerst….und danach läuft das ehemals zusammen Erlebte wie ein Film vor unserem geistigen Auge ab. So war es auch bei Paul Brion aus der Schweiz, der im Juni dieses Jahres im Alter von 88 Jahren verstorben ist.
Ich vergleiche die lange Zeit meiner FS-Tätigkeit oft mit einer langen Schnur, auf der die mehrfach überschneidenden Freundschaften wie auf einer Perlenkette aufgereiht sind. Zwischen den Perlen gibt es immer wieder Knoten, über die man stolpert, allerdings in positivem Sinne! Geht man diese Strecke auf der langen Schnur nochmal zurück, so beginnt bei jedem Stolperstein der wunderbare Film zu laufen, über den ich oben schon geschrieben habe.
Bei Paul und mir passte vieles zusammen: Die Liebe zur Natur, Heimatverbundenheit und das Glück, das man auf einem sehr kleinen Territorium erleben kann. Paul hatte zudem noch das große Glück, inmitten der Berner Bergwelt der Schweizer Alpen leben zu können!
Aus dem oberen Rhonetal stieg die Straße in Serpentinen zu seinem Wohnort Ollon, und noch weiter oben lag sein ‚Krähennest‘, von dem er wunderbar auf die Bergwelt der Walliser Alpen blicken konnte. Oft hat er mir diesen Ausblick beschrieben. Nebenbei war es von seinem Wohnort nur ein ‚Katzensprung‘ zum Genfer See.
Seine Liebe zu Fauna und Flora war auf dem Foto seines Hauses deutlich zu erkennen: Wichtig war es ihm, die Schönheit der Natur rund um seinen Wohnsitz deutlich zu machen – das Haus selbst versank fast in einem Sträucher- und Blumenmeer. Hund, Katze und die buntgefiederte Vogelwelt zauberten ein herrliches Panorama!
Paul schrieb meist auf Karten einer ganz besonderen Art: Sie waren handgefertigt! Sie zeigten stets Abbildungen aus Tier- und Pflanzenwelt seiner Heimat. Die bunten Bilder nahm er aus Illustrierten und klebte sie so sauber auf, dass man glaubte, alles sei aus einem Guss. Gelernt habe ich von ihm das leichte Abrunden der vier Kantenecken, was ein zu leichtes Ablösen des Aufgeklebten verhindern sollte. Somit war die Sendung auch postreif und kam unversehrt an.
Eigentlich hätte ich meinen Aufsatz über Paul mit dieser Kunstfertigkeit beginnen können, denn sie sagt fast alles über ihn aus. Paul Brion war ein Paradebeispiel für all das, was Fernschach außer dem Spiel sonst noch bewirken kann!!
Karl-Heinz Metzer, Köln im August 2019