Eine Partieanalyse (von Alfred Stummerer)

Seit August 2023 werden die Thementurniere „Schach mit dem Weltmeister“ gespielt. Frank Wittig hat dazu sechs Weltmeister „eingeladen“, mit uns am Brett zu sitzen. Im Turnier TT-23-001 wird nach Wilhelm Steinitz dessen Gambit gespielt.

Alfred Stummerer – Bernd Kluge (Kommentare von Alfred)

1.e4 e5 2.Sc3 Sc6 3.f4 exf4 4.d4 Dh4+ 5.Ke2 Bis hierher war die Zugfolge vorgegeben. Im Londoner Turnierbuch von 1883 schrieb Steinitz: „…der Hauptzweck dieses Gambits besteht darin, den König für beide Flügel im Endspiel verfügbar zu machen. Es gibt kaum eine wirkliche Gefahr für Weiß in der gegenwärtigen Stellung, und er sollte einen gewissen Vorteil dadurch erlangen, dass sein König im Zentrum steht, wenn es ihm gelingt, die Damen zu tauschen…“. Der Ausspruch war wohl für andere Weltmeister gedacht. Ich kam damit nicht zurecht, wie folgende Partie zeigt.

5… b6 6.Dd3

Siegfried Müller wählte im selben Turnier 6.Dd2 und Roland Hilgart 6.Sf3 gegen mich.

6… Lb7 7.Sf3 Dh6 8.Sd5

Der Springer spekuliert mit dem Feld c7. Interessant wäre auch 8.d5, um 8… Sb4 mit 9.Dd4 zu begegnen. Nach 9… Sxc2 könnte 10.De5+ Se7 11.Tb1 folgen.

8… Sb4 9.Sxb4 Lxb4 10.Dc4

Vertreibt den unangenehmen Läufer vermindert aber nicht den Druck auf die weiße Stellung.

10… Le7 11.Dxc7 Lxe4

Im Gegensatz zu Bernd habe ich keine Läufer zur Verfügung.

12.Dxf4

Das ist der Moment des Weltmeisters, doch Bernd greift nicht zu.

12… De6 13.Kf2

Nun versuchte ich drei Dinge gleichzeitig: Der Dame aus dem Weg zu gehen und den weißfeldrigen Läufer und den Turm ist Spiel zu bringen.

13… Sf6 14.c3 Ld6 15.Dd2 0-0 16.Sg5

In dem Zug liegt schon etwas Verzweiflung. Besser wäre wohl gewesen, ich hätte mich verteidigt und den König nach g1 geführt.

16… Dd5 17.c4 Dc6 18.b4 h6 19.Sf3

19.Sxe4 geht wegen 19… Sxe4 nicht.

19… Tae8 20.Le2 Lxf3 21.Lxf3 Se4+ 0 – 1

Bernd steht klar auf Gewinn. Die Idee von Steinitz hat bei mir versagt. Ich suche aber die Schuld nicht bei meinem ehemaligen Landsmann (Steinitz wurde in der Österreichischen-Ungarischen Donaumonarchie in Prag geboren), sondern in meiner unzureichenden Behandlung der Eröffnung.

Am Ende der Partie gab Bernd folgende Einschätzung ab: In unserer Partie war tatsächlich schon recht schnell der „Saft“ raus. Was Siegfried Müller im 6. Zug wählte (Dd2), spielte gegenüber Dd3 eigentlich keine Rolle, ich glaube, der entscheidende Vorteil gelang mir mit deinem 8. Zug (Sd5?). Hier wäre wohl 8.d5!! entschieden besser gewesen. Dann kam nochmal der Zug Nr. 13.Kf2 – da wäre eventuell 13.c3 besser gewesen. Nun ja, und so hat sich das eben dann peu a peu immer mehr verschlechtert. Doch ich denke, dass Steinitz mit seiner Eröffnung bei 5.Ke2 sowieso schon einen leichten Nachteil hat und dieser bei beherrschtem Spiel des „Schwarzen“ schwer wieder ins Lot zu bringen ist. Zumindest sehe ich das so und für mich hat es sich glücklicherweise ausgezahlt.